Mit ihrem tollen Album „London Ko“ und dank einer künstlerischen Partnerschaft mit Damon Albarn macht Fatoumata Diawara derzeit viel Furore. Auch live ist sie ein veritabler Weltstar.
von Werner Herpell
Es musste erst ein Damon Albarn mit seinen Gorillaz daherkommen, um dieser Künstlerin die angemessene, ganz große Bühne zu bieten. Anfang 2020 veröffentlichte die in alle Stilrichtungen offene Cartoon-Band des umtriebigen englischen Musikers den so sehnsüchtigen wie eingängigen Afropop-Song „Désolé“ mit dem fabelhaften Gesang von Fatoumata Diawara. Im Video sah man sie fröhlich lachend neben Albarn, beide flitzten in einem Boot über den Comer See.
Fatoumata Diawara: Ein neuer Weltstar des „Global Pop“
Drei Jahre später hat sich die Singer-Songwriterin, Schauspielerin und Menschenrechtsaktivistin aus Mali zu einem der großen afrikanischen Weltstars des „Global Pop“ entwickelt – was sie am Abend des 25.07.2023 in Berlin auch eindrucksvoll beweist. Mit ihrem sehr erfolgreichen dritten Studioalbum „London Ko“ im Gepäck ist Fatoumata Diawara eine Headlinerin des neuen Sonic Pluriverse Festivals, das in der Hauptstadt die Nachfolge der ambitionierten Veranstaltungsreihe „Wassermusik“ angetreten hat.
Wie immer bei trockenem Wetter findet dieses Konzert auf dem Dach des Hauses der Kulturen der Welt (HKW) statt, von dem der Besucher einen herrlichen Blick über den Tiergarten und das Regierungsviertel genießen kann. Darauf verzichtet man allerdings schon bald freiwillig, weil die Dresdner DJane Marisa Akeny alias Femdelic als Diawara-Support mit einem treibenden Funk- und Afrobeat-Set gleich zum Tanzen und Klatschen einlädt.
Bunte Kleidung und mächtiger Groove
Nach kurzer Umbaupause betritt dann die Afropop-Diva vor großem Publikum die Bühne – und fasziniert von der ersten Sekunde an. Fatoumata Diawara ist so bunt und fantasievoll gekleidet, wie man es von dem in allen Farben leuchtenden „London Ko“-Cover erwarten konnte. Mit ihrer erstaunlichen Frisur verstärkt sie noch den Hingucker-Effekt – aber es ist natürlich vor allem ihre mächtig groovende, prachtvoll schillernde Musik, die jeden Pop-Fan mit offenen Sinnen begeistert.
Der Schwerpunkt des gut 90-minütigen Auftritts liegt auf dem neuen Album, das schon im Titel eine Verbindung der beiden Hauptstädte London und Bamako herstellt. Mehrere der 14 Songs dieser perfekten Crossover-Platte wurden von Damon Albarn mitproduziert, auf einigen Stücken spielt und singt der prominente britische Musiker auch mit. Fatoumata Diawara bezeichnet ihn in einer ihrer temperamentvollen Ansagen als „Bruder“ – immerhin kennen sich die beiden seit vielen Jahren und sind offenkundig eng befreundet.
Mal hell, mal herb
„Nsera“, der Opener von „London Ko“, ist das am stärksten von Albarn geprägte Lied. Die markante Stimme des derzeit mit dem bärenstarken Blur-Comeback „The Ballad Of Darren“ vielbeschäftigten Londoners fehlt zwar im Berliner Konzert – ebenso wie einige üppige Chor-Arrangements der Platte, die stattdessen nun aus dem Keyboard kommen. Doch Fatoumata Diawara füllt diese Lücken locker mit ihrem mal glockenhellen, mal herb angerauten Gesang.
Das Charisma der 41-Jährigen ist enorm – und ihre Gitarrenkünste sind es ebenfalls. Diawara hat oft betont, wie wenig „normal“ es leider immer noch sei, dass eine afrikanische Frau so lässig und virtuos E-Gitarre spielt. Mit ihrer selbstbewussten, stilistisch unbegrenzten „World Music“ setzt sie demnach auch ein feministisches Zeichen. Ein flammender Appell gegen die Beschneidung von Frauen (seit langem eines von Diawaras Themen als Aktivistin) wird ebenfalls mit großem Applaus aufgenommen.
Fatoumata Diawara macht ihr Publikum glücklich
Doch dann wird wieder gegroovt und getanzt, die vierköpfige Band verquirlt dafür Afrobeat, Jazz, Funk und exotischen Pop zu einer schweißtreibenden Mixtur. Am Schluss wirbelt die Sängerin mit einer Art Tiermaske über die große Bühne auf dem HKW-Dach – und möchte ebenso wenig aufhören wie ihr ekstatisches Publikum. Das Sonic Pluriverse Festival hat an diesem milden Sommerabend ein denkwürdiges Highlight erlebt – und jeder der glücklichen Zuschauer dürfte den fantastischen Auftritt von Fatoumata Diawara nicht so schnell vergessen.
Weitere Deutschland-Konzerte finden am 26.07.2023 in Jena, am 27.07.2023 in Herzberg und am 28.07.2023 in Karlsruhe statt. Das Album „London Ko“ von Fatoumata Diawara ist am 12.05.2023 bei 3ème Bureau/Wagram Music erschienen. (Beitragsbild von Alun Be)